Dienstag, 9. Oktober 2007
Buchbesprechung
Wer ist John Galt? von Ayn Rand
Dagny Taggart versteht die Welt nicht mehr. Und schlimmer sie spürt, dass die Welt aufgehört hat sie zu verstehen. Seit ihrer frühsten Kindheit träumte Dagny davon das Lebenswerk ihrer Vorfahren zu übernehmen — das Eisenbahnimperium Taggart Transcontinental; doch sie wurde nur stellvertretende Vorstandsvorsitzende.
Den Vorstand hat nach dem Tod ihres Vater ihr Bruder James übernommen. Diese Tatsache stört Dagny jedoch nicht, weiss doch jeder, dass ihr inkompenter und verweichlichter Bruder keine Entscheidung treffen kann, ohne sie vorher mit Dagny abgesprochen zu haben.
Seit sie ihre ersten Schritte auf den Gleisen gehen konnte und die parallele Führung der Trassen zu einem Punkt am Horizont verschmelzen sah, lebt Dagny für den Erhalt von Taggert Transcontinental. Getrieben wird sie von einer Freude an der Produktivität, des Schaffens nicht um des Nutzens willen, sondern für den Schaffensakt an sich.
Die Autorin Ayn Rand stellt mit Dagny Taggart einen Menschen mit Prinzipien vor. Nichts ungewöhnliches, möchte man meinen. Doch bei der Lektüre des Buches wird dem Leser schnell klar, dass in der Welt, die Ayn Rand vor dem geistigen Auge entstehen lässt, nur wenige Menschen mit Dagny vergleichbar sind.
Um sie herum bricht alles zusammen. Eine von Machtgier, Niedertracht, Neid und Missgunst zerfressene Gesellschaft versinkt im Chaos ihrer vernunftverachtenden Unmenschlichkeit. Nur wenige denken wie Dagny, kämpfen Tag für Tag den Kampf gegen allgegenwärtige Gegner, die die Unlogik ihrer Handlungen mit der Denunzaition der Logik beantworten, und die scheinheilig das Leid Einzelner mit dem Wohl der Allgemeinheit rechtfertigen.
Dagny fühlte sich ihr ganzes Leben als Teil einer intellektuellen Armee, die mit den Waffen der Rationalität und der Produktivität den bigotten Aasgeiern unserer Gesellschaft den Kampf angesagt hat. Nur in Gesellschaf anderer Großindustrieller spürt sie die Reinheit ihrer eigenen Einstellung, die Egoismus als höchste Form des Altruismus versteht. Doch in den Reihen ihrer Mitstreiter entstehen Lücken.
Eine rationaler Mensch nach dem anderen verschwindet und hinterlässt sein Lebenswerk in Schutt und Asche.
Und wo immer Unbegreifliches die Menschen heimsucht, zucken die meisten nur mit den Schultern und stellen resigniert die Frage: „Wer ist John Galt?". Doch Dagny spürt, dass hinter dieser leeren Floskel mehr steckt als nur ein Ausdruck der Hilflosigkeit und stößt bei ihren hartnäckigen Nachforschungen auf ein Geheimnis, das für sie schnell lebensbedrohliche Ausmaße annimmt.
Als sie vor die Wahl gestellt wird einen Eid zu leisten, wird sie sich ein für allemal der Widersprüchlichkeit der sie umgebenden Welt bewusst. In einer erbetenen Bedenkzeit versucht sie zu ergründen, was in unserer Geschichte falsch gelaufen ist. Der Eid, den sie leisten soll, lautet:
Ich schwöre bei meinem Leben und bei meiner Liebe zum Leben: Ich werde nie für
andere leben, und ich werde nie von anderen erwarten, dass sie für mich leben.
Ayn Rands „Wer ist John Galt?" ist weit mehr als der Roman, als der ihn eine reine Inhaltsangabe erscheinen lässt. Vielmehr ist es ein philosophisches Werk in eine unheimlich packende Rahmengeschichte verpackt, das an den tiefsten Glaubensgrundsätzen jedes Lesers rütteln wird.
Mit einigen Elementen der Wirtschaftsethik versetzt, legt das Buch die Scheinheiligkeit derjenigen bloß, die Produktivität verdammen um selbst nicht leisten zu müssen, und die die Dehnbarkeit der Sprache predigen, um die Menschen mit ihren Lügen zu blenden. Jeder Aspekt des gesellschaftlichen Zusammenlebens wird von der Autorin unter die Lupe genommen und im Rahmen des Buches neu interpretiert.
Egal, ob in Wirtschaft, Politik, Familie oder Partnerschaft, jede zwischenmenschliche Beziehung wird von Ayn Rand auf einen Akt der Eigenliebe des Individuums zurückgeführt.
Doch die Autorin tut mehr. Sie zeigt dem Leser die moralische Tugendhaftigkeit dieser Eigenliebe auf und gibt einen kurzen Einblick auf eine Welt, die sein könnte, wenn jeder bereit wäre, seine Eigenliebe nicht verschämt zu verstecken, sondern sich voll Stolz zu ihr zu bekennen.
Mit 1256 Seiten ist ,,Wer ist John Galt?" sicher kein Buch „für zwischendurch". Außerdem gibt es einige hochphilosophischen Passagen, die es erlauben würden, nach jeder Seite das Buch erst einmal für eine Stunde beiseite zu legen und über das Gelesene nachzudenken. Trotzdem ist das Werk so spannend geschrieben, dass einem von einigen (notwendigen) Längen abgesehen schon das Umblättern der Seiten ewig zu dauern scheint.
Zum Glück im Alter gehört, abgesehen von gut investierten Geldanlagen, auch eine gute Portion persönliches Wachstum. Mit „Wer ist John Galt?" ist mir in dieser Beziehung ein wichtiger Schritt gelungen.
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